Claudias Welt

Die Sache mit dem Eklat

Geschrieben von Claudia | Jun 5, 2020 3:43:00 PM

Im Februar 2020 standen sich der FC Schalke 04 und Hertha BSC im Pokal gegenüber. Das Spiel war in der Verlängerung, als plötzlich und erstmal ohne ersichtlichen Grund Herthas junger Verteidiger Jordan Torunarigha völlig aufgelöst von Mitspielern gebändigt werden musste.

 

Eigenen Aussagen zufolge war er von Zuschauern mit Affenlauten bedacht worden und wollte das Spiel abbrechen. In der Folge brach eine Welle der Empörung los und natürlich auch der Solidarisierungsmechanismus. Der Blätterwald rauschte und Schalke sah sich im Mittelpunkt einer Debatte über Rassismus. Fanitiativen starteten Aktionen gegen Rassismus, landauf und landab meldeten sich Experten zu Wort, die bestätigen sollten, wie schlimm die Situation im deutschen Fußball sei. Schuld sei natürlich auch die AfD.

 

In der Folge wurde Schalke auch vom Kontrollausschuss des DFB zu 50000 Euro Strafe verurteilt. Herr Torunarigha selbst stellte Strafanzeige gegen unbekannt.

 

Schon damals waren Interviews mit Mitspielern, Zuschauern und Offiziellen bemerkenswert, die sich zwar mit Herrn Torunarigha solidarisierten und sich eindeutig gegen Rassismus positionierten, aber allesamt auch darauf hinwiesen, im Stadion nichts von den Beleidigungen mitbekommen zu haben.

 

Heute wurden nun die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen unbekannt eingestellt. Nach Auswertung der Fernsehbilder und der Überwachungsvideos aus dem Stadion konnten keine Hinweise auf die angezeigten Vorkommnisse, geschweige denn auf den oder die Täter gefunden werden. Zeugenaussagen waren ebenso unergiebig. Nun könnte man darauf hinweisen, dass Schalke eventuell vorverurteilt worden wäre und man das Ergebnis der Ermittlungen hätte abwarten sollen. Aber in entsprechenden Kommentarspalten findet man nur, dass man hier natürlich nicht die Empfindungen und Wahrnehmungen eines jungen dunkelhäutigen Spielers in Frage stellen möchte. Schließlich möchte man sich auch selbst unter Verdacht stellen lassen, Rassismus kleinreden zu wollen.

 

Mich persönlich erinnert das etwas an die Aussagen von Alice Schwarzer nach dem Freispruch für Jörg Kachelmann, als sie darauf hinwies, dass man trotz aller Beweise für seine Unschuld doch dem vermeintlichen Opfer hätte mehr Glauben schenken sollen. Wer braucht schon Beweise, wenn man doch falschen Anschuldigungen glauben könnte? Wenn wir zulassen, dass Strafen und (Vor-)Verurteilungen rein auf Gefühl und Moral basiert werden, befinden wir uns auf direktem Weg in den Totalitarismus.

 

Jordan Torunarigha war übrigens nicht zum ersten Mal in einen Rassismusvorfall involviert. Im Dezember 2019 soll er bei einem Spiel der U23 von Hertha BSC Berlin gegen Lokomotive Leipzig von einem Gegenspieler rassistisch beleidigt und zudem von Zuschauern mit Affenlauten bedacht worden sein. Dass selbst Herthas U23-Trainer Andreas Neuendorf den Vorfall zunächst anders einschätzte, stoppte die Automatismen nicht. "Einer sagt mal: 'Du Doofi', einer sagt mal: 'Du Esel', einer sagt mal: 'Du Affe' ... Vielleicht war es gar nicht rassistisch-politisch gemeint, deswegen will ich's nicht so hochhängen", sagte Neuendorf dem MDR.

 

Vielleicht konnte sich Neuendorf dabei auch noch an die Affenlaute gegen Oliver Kahn in allen Stadien der Bundesliga in den 1990er Jahren und Anfang des Jahrtausends erinnern. Genaues weiß man nicht. Nur dass es auf einem Fußballplatz durchaus derb zugehen kann, egal ob in der Kreisliga oder der Bundesliga. Nicht jede Beleidigung in Richtung eines Spielers mit anderer Hautfarbe hat auch direkt etwas mit Rassismus zu tun. Ansonsten könnte auch mal ein Gegenspieler Jordan Torunarighas sich entsprechend angegriffen fühlen und das Spiel abbrechen wollen.

 

(Bild: Markus Spiske)